Die Zeichen der Zeit
Laut der Weltgesundheitsorganisation wird im Jahr 2030 jede sechste Person auf der Welt über 60 Jahre alt sein. Was passiert in unserem Körper, wenn wir älter werden? Ein Überblick.
Wussten Sie, dass der Graue Star schon in der Antike bekannt war? Es handelt sich dabei um die Trübung der Augenlinse. „Sie befindet sich im Inneren des Auges und bündelt die Bilder auf der Netzhaut, also dem hinteren Teil des Auges”, erklärt Dr. med. Philippe De Gottrau, Chefarzt der Abteilung für Augenheilkunde (Ophthalmologie). Die Augenlinse ist demnach vergleichbar mit der Linse einer Kamera und die Netzhaut ist der Film oder die Pixel. Gegen den Grauen Star hat sich bisher nur die Operation als wirksam erwiesen. Mit zunehmendem Alter treten weitere Sehstörungen auf, insbesondere die Alterssichtigkeit (Presbyopie), die das Sehen im Nahbereich und damit beispielsweise das Lesen erschwert. Die Makula-Degeneration hingegen betrifft das zentrale Sehen und tritt in der Regel nach 50 Jahren auf. Die Makula ist ein kleiner Teil der Netzhaut, der altersbedingt erkranken kann. Dagegen gibt es kein Heilmittel, aber intraokulare Injektionen (Injektionen ins Augeninnere) haben die Behandlung massgeblich verbessert. Darüber hinaus gibt es viele Möglichkeiten, um die Lebensqualität zu erhalten.
„Tyrosinase ist ein Enzym, das von den Haaren produziert wird. Mit den Jahren funktioniert es immer weniger gut”, erläutert Dr. med. Basile Page. „Das Enzym produziert Melanin, das Pigment, das für die Färbung der Haare zuständig ist.” Weniger Pigment bedeutet weniger Farbe, weshalb wir im Alter weisse Haare bekommen. Was den Haarausfall im Alter betrifft, so handelt es sich dabei in erster Linie um eine Verminderung der Haardichte. „Männer und Frauen sind gleich stark betroffen, weil es (auch bei den Frauen) die männlichen Hormone sind, die sich negativ auf die Haarfollikel auswirken. Bei Männern fallen die Haare meist im Bereich der Schläfen und an der Stirn aus, während der Haarausfall bei Frauen oftmals diffuser ist.”
Osteoarthritis, die häufigste Form der Arthrose, ist eine degenerative Gelenkerkrankung, bei welcher der Knorpel abgebaut wird, was zu Schmerzen und Steifheit führt. „Anders als häufig angenommen, wird die Erkrankung nicht nur durch Reibung hervorgerufen”, erklärt Dr. med. Darius Marti, Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg und Leitender Arzt in der orthopädischen Chirurgie und Traumatologie. „Der Vorgang ist komplexer und beinhaltet eine Kombination aus genetischen, biochemischen und mechanischen Faktoren, deren genaue Ursachen noch nicht bekannt sind.” Arthrose ist weit verbreitet, vor allem bei älteren Menschen. Weltweit sind mehr als 18 Prozent der Frauen und 10 Prozent der Männer im Alter ab 60 Jahren davon betroffen. „Arthrose tritt meist zwischen 40 und 50 Jahren auf. Die über 80-Jährigen leiden praktisch alle daran.”
Alle Gelenke können betroffen sein. „Die Hüftarthrose, eine häufige Form der Erkrankung, verursacht Schmerzen, wodurch die Mobilität der Betroffenen verringert wird und die Lebensqualität leidet.” Doch es gibt vielfältige Behandlungsmöglichkeiten: von einer Änderung des Lebensstils (gesundes Körpergewicht und Bewegung) über Medikamente oder Hilfsmittel bis hin zu einem chirurgischen Eingriff (Prothese). „Mit den Gelenken ist es wie mit einem Oldtimer, wenn man jeden Tag damit fährt, wird er müde. Wenn man ihn nie aus der Garage holt, springt er nicht mehr an. Dasselbe gilt für die Gelenke: Es gilt, das richtige Gleichgewicht zwischen Überlastung und völligem Stillstand zu finden.”
Laut Schätzungen leiden etwa 16 Prozent der Weltbevölkerung und jede dritte Person über 65 Jahren an einem behindernden Hörverlust. „Es ist ein natürlicher, fortschreitender Prozess”, erklärt Dr. med. Prosper Konu, Leitender Arzt für Hals-Nasen-Ohr-Heilkunde (HNO). „Das Organ, das den Schall ans Gehirn weiterleitet, verfügt über eine bestimmte Anzahl Zellen, die sich nicht vermehren können.” Der Alterungsprozess lässt sich daher nicht aufhalten, aber verlangsamen: „Indem wir unser Gehör nicht für längere Zeit starkem Lärm aussetzen.” Aus bisher unbekannten Gründen verlieren Männer ihr Gehör schneller als Frauen. Doch eines ist sicher: Frauen und Männer sollten einen Hörtest machen, bevor sie nichts mehr hören. „Die Leute sträuben sich gegen Hörgeräte, dabei helfen sie, diesen Alterungsprozess zu verlangsamen, indem sie die Aktivität der noch vorhandenen Zellen anregen. Sobald man das Klingeln an der Tür oder vom Telefon nicht mehr hört oder im Gespräch regelmässig nachfragen muss, sollte man sein Gehör testen lassen.“
„Die Alterung der Zellen im Körper und damit der Haut ist ein natürlicher Vorgang, der sich nicht aufhalten lässt”, betont Dr. med. Basile Page, Leitender Arzt in der Dermatologie. Aber es gibt äussere Faktoren, welche die Hautalterung beeinflussen, wie Hormone, Alkohol und Rauchen. Der grösste Feind der Haut ist aber die UV-Strahlung. Gegen sie gibt es zwar kein Wundermittel, aber fast: die Sonnencreme! „Sie schützt vor Hautalterung und Krebserkrankungen, die durch UV-Strahlen verursacht werden.” Auch Altersflecken können durch Sonnencreme verhindert werden, auch wenn das Ausmass der Flecken von der Sonnenexposition und dem Hauttyp abhängig ist.
Zwischen ihrer ersten Periode und der Menopause hat eine Frau etwa 400 Eisprünge. „Von Menopause spricht man, wenn eine Frau ein Jahr lang keine Menstruation hatte”, erklärt Professor Dr. med. Anis Feki, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe. Der Eisprung und der gesamte Hormonzyklus sind eng mit der Ausschüttung des Hormons Östrogen verbunden. „Aber mit den Jahren schüttet der Körper immer weniger Östrogen aus, was sogenannte klimakterische Beschwerden auslöst: Hitzewallungen, Schlafstörungen, Haarausfall, vaginale Trockenheit und verminderte Libido.” Mit einer Hormonersatztherapie ab der Prämenopause können diese Symptome jedoch gemildert werden.
„Bei Männern ist die Spermienproduktion nicht an die Testosteronproduktion gekoppelt”, so Professor Feki. „Der Mann kann sich weiter fortpflanzen. Der Alterungsprozess ist eher mechanischer Natur und wirkt sich auf die Gefässe aus, weshalb die Einnahme von Medikamenten zur Gefässerweiterung wie Viagra nötig sein kann.” Der Chefarzt betont jedoch, „dass man gut altern kann. Die Entwicklung der Altersmedizin mit multidisziplinären Teams trägt dazu bei.”
Unser Skelett und die Knochen können schwächer werden. Das passiert insbesondere bei der Osteoporose, einer Erkrankung, welche die Knochendichte verringert. Die Knochen werden dadurch brüchiger. Das Alter ist dabei einer von mehreren Faktoren: Auch Genetik, Familiengeschichte, andere Vorerkrankungen, Lebensstil usw. spielen eine Rolle. Frauen sind häufiger betroffen: Eine von drei Frauen leidet an Osteoporose. Bei den Männern ist es jeder fünfte. Damit die Knochen stark bleiben, sind eine ausgewogene Ernährung und körperliche Aktivität wichtig. Das bewirkt natürlich keine Wunder, kann der Erkrankung jedoch vorbeugen. „Wichtig sind Lebensmittel, die reich an Kalzium sind, wie Milchprodukte, angereichertes Mineralwasser und Eiweiss”, erklärt Dr. med. Joyce Lecoultre, stellvertretende Oberärztin in der Rheumatologie. Bei der körperlichen Aktivität braucht es Stösse, um die Knochen zu stärken, wie z. B. beim Gehen, Tai Chi oder Seilspringen. „Vielen ist es nicht bewusst, aber Osteoporose kann man schon erkennen, bevor es zu einem Knochenbruch kommt.” Sprechen Sie also mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.