Ein Leben im Dienst der Orthopädie

Prof. Emanuel Gautier trat im März als Chefarzt der Klinik für Orthopädie zurück. Er hatte die Entwicklung der Orthopädie in Freiburg entscheidend geprägt. Rückblick auf sein Engagement als Chefarzt und Forscher – und seine Einschätzung der aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen.

Bild
Prof. Dr. med. Emanuel Gautier

Prof. Emanuel Gautier

Prof. Gautier, Sie blicken auf 25 Jahre als Chefarzt in Freiburg zurück. Welches waren die grössten Veränderungen in dieser Zeit? Verglichen mit 1996 behandeln wir heute viel mehr Patienten. Die Sprechstundentätigkeit ist um das Drei- bis Vierfache gestiegen, und wir operieren mehr als doppelt so viele Patienten wie damals. Allein in Freiburg werden jährlich 3’500 Eingriffe durchgeführt. Die notwendige Subspezialisierung in der Orthopädie und das Umsetzen des Arbeitsgesetzes für die Assistenz- und Oberärzte haben in den letzten 20 Jahren zu einer Verdoppelung der Ärzte- Stellen geführt. Die zu strikte Begrenzung der Arbeitszeit auf die 50-Stunden-Woche hat aber nachteilige Folgen für die Weiterbildung und das gute Funktionieren einer Klinik. Oft muss ein Assistenz- oder Oberarzt «warten», bis eine Operation geplant ist, welche er unter Supervision durchführen kann und welche er für seinen Weiterbildungskatalog braucht. Zusätzlich nimmt die Arbeitseffizienz ab, da durch die Segmentierung der Arbeitszeit die medizinischen Informationen immer wieder an eine neue Equipe weitergegeben werden müssen. Und gleichzeitig hat die administrative Arbeit der jüngeren Kollegen überproportional zugenommen, ohne dass damit die Patienten besser oder effizienter behandelt würden. 

Wo setzten Sie die Schwerpunkte in der Behandlung, was war Ihnen besonders wichtig? Wichtig ist es, den Patienten in den Behandlungsplan einzubeziehen und ihn selbst entscheiden zu lassen, ob er eine bestimmte Behandlung durchführen lassen möchte. Dies braucht neben einer korrekten klinischen Untersuchung und medizinischen Bildgebung auch viel Zeit für die Patientenaufklärung: So können wir sicherstellen, dass der Patient seine Krankheits-Problematik verstanden hat und damit entscheidungsfähig ist. 

In jüngeren Jahren habe ich mich während meiner Forschungstätigkeit der Knochenbiologie und der Biomechanik gewidmet. Eine möglichst ungestörte Knochendurchblutung ist für den Heilungsprozess zentral. Im Forschungslabor in Davos wurden neue Osteosyntheseplatten entwickelt, mit denen der Durchblutungsschaden des Knochens minimiert werden konnte. Diese neuere Implantatgeneration ist weltweit in Gebrauch.

Hat sich die Orthopädie so entwickelt, wie Sie dies erwartet hatten? Auf der medizinischen Seite JA, auf der organisatorischen leider NEIN. Ökonomische Überlegungen spielen eine immer grössere Rolle, was dazu führt, dass der Preis einer Behandlung höher gewichtet wird als der Nutzen für den Patienten. Jüngste Beispiele sind die Liste der Eingriffe, die nur noch ambulant durchgeführt werden sollen oder die Einführung der Fallpauschalen, welche den administrativen Aufwand für die Leistungserbringer erheblich erhöht hat. Dies alles ohne zusätzliche Wertschöpfung oder Qualitätsverbesserung. 

Und wie sieht Ihre Bilanz auf der medizinischen Seite aus? Hier gibt es mehrere positive Entwicklungen. Die moderne Orthopädische Chirurgie ist in erster Linie präzise und gewebeschonend. Die Bildgebung hat sich wesentlich verbessert. Wir sehen heute viel besser in den Körper hinein und können Indikationen präziser stellen. Die Computerassistenz und die Bildgebung (3DScanner) im Operationssaal ermöglichen bei bestimmten Operationen ein minimalinvasives Arbeiten. Man kann damit Implantate korrekt positionieren, ohne die entsprechende Region chirurgisch zu öffnen. Die Präzision und die Sicherheit für die Patienten werden damit erhöht. 

Welches waren die grössten Meilensteine in Ihrer persönlichen Karriere? Die orthopädische Chirurgie in der Schweiz hat sicher Topniveau. Die Orthopädische Klinik am Inselspital in Bern unter der Leitung von Prof. Reinhold Ganz hat bezüglich der Hüftchirurgie weltweit mehrere Meilensteine gesetzt, so beispielweise in der Behandlung der Dysplasiehüfte beim Erwachsenen oder des mechanischen Konfliktes der Hüfte mit Anschlagen des Schenkelhalses an der Hüftpfanne. Ich hatte dort den Hauptteil meiner Facharzt- Weiterbildung absolviert. 

Was mich in meinem Berufsleben zusätzlich bereichert hat und freut, sind die vielen nationalen und internationalen Kontakte mit Kollegen rund um den Globus. Die in der Schweiz 1958 gegründete Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (heute AOTrauma) ist eine der grössten medizinischen Berufsgruppierungen, welche sich als Stiftung weltweit um die Weiter- und Fortbildung der jüngeren Kollegen kümmert. Im Rahmen dieser Weiterbildungskurse bin ich natürlich weit herumgekommen und habe vielfältige berufliche Kontakte knüpfen können.

 

Key words