Onkogenetik: „Unsere Aufgabe ist es, genetische ‚Tippfehler’ zu erkennen”
Besteht für mich automatisch ein erhöhtes Krebsrisiko, wenn ein Familienmitglied an Krebs erkrankt ist oder war? Wie kann ich das abklären und was sind die nächsten Schritte? Diese und weitere Fragen beantworten PD Dr. med. Bernard Conrad und sein Team im Rahmen der Onkogenetik-Sprechstunde.
Ähnlich wie Ahnenforscher, die Familienstammbäume erstellen, befassen sich Onkogenetiker mit genetischen Veranlagungen. Eine Kunst, die auch PD Dr. med. Bernard Conrad seit vielen Jahren und seit dem 1. November 2019 im Rahmen einer neuen Sprechstunde am HFR Tafers ausübt.
„In unserem Beruf befassen wir uns mit der Erkennung verschiedener Erkrankungen. In dieser Sprechstunde geht es aber speziell um Krebs”, erklärt der Facharzt, der sowohl mit der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe als auch mit der Abteilung Onkologie zusammenarbeitet. „Man muss wissen, dass rund zehn Prozent der Krebserkrankungen aus genetischen Veranlagungen entstehen, also vererbt sind. Unsere Arbeit ist es, diese ‚Tippfehler’ in den Genen zu erkennen.”
Das Beispiel Angelina Jolie
Durch die Analyse genetischer Daten, die über eine Blutentnahme gewonnen werden, kann ermittelt werden, ob eine Veranlagung für eine Krebserkrankung vorliegt. „Auf dieser Grundlage können wir über Therapie- und Betreuungsoptionen sprechen.” Wenn es darum geht, die nächsten Massnahmen zu planen, wird oftmals das Beispiel von Angelina Jolie genannt. Die Schauspielerin unterzog sich einer Mastektomie, das heisst, sie liess sich beide Brüste entfernen, um das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, zu reduzieren. Sie hatte zuvor ihre Mutter an die Krankheit verloren.
„Ihre Bekanntheit bewirkte, dass man über die Problematik spricht. Man muss jedoch wissen, dass eine Mastektomie nicht die einzige Option ist.” Wie Bernard Conrad erklärt, können durch die schnelle Erkennung des Risikos frühzeitig Massnahmen getroffen und ein präventiver chirurgischer Eingriff vermieden werden. „Es gibt auch die Möglichkeit der engen Überwachung, insbesondere durch die Mammografie, die weniger invasiv ist.” Eines ist auf jeden Fall sicher: Die Patienten entscheiden selbst über ihre Versorgung. „Wir sind da, um sie zu beraten und an die entsprechenden Spezialisten zu verweisen.”
Entgegen der landläufigen Meinung wird insbesondere Brustkrebs nicht nur von Frau zu Frau vererbt. „Das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Eine Frau kann durchaus über die Gene ihres Vaters die Veranlagung für Brustkrebs erben.” Bei Männern ist die häufigste Krebsart der Prostatakrebs. Und: „Dieser ist besonders aggressiv, wenn er vererbt ist.”