Hypnose statt Narkose – innovative Alternative am HFR

Das freiburger spital (HFR) bietet seinen Patientinnen und Patienten bei bestimmten chirurgischen Eingriffen eine Alternative zur Vollnarkose: medizinische Hypnose. Der innovative Ansatz gewinnt seit einem Jahr zunehmend an Beliebtheit, denn er fördert das Wohlbefinden, erleichtert die Genesung und verringert Nebenwirkungen.

Bei der medizinischen Hypnose führt eine speziell geschulte Gesundheitsfachperson die Patientin oder den Patienten in einen natürlichen, aber veränderten Bewusstseinszustand – ein «hypnotisches Bewusstsein», das wir alle in einer abgeschwächten Form aus dem Alltag kennen. Dies geschieht durch gezielte sprachliche und nonverbale Mittel wie Worte, Metaphern, Tonfall, Rhythmus, Atmung oder Körperhaltung. Hierbei spricht man von hypnotischen Suggestionen. Die Person ist wach und aufmerksam, doch die Umgebung rückt in den Hintergrund. Die Wahrnehmung von Zeit, Raum und Empfindungen verändert sich. Es entsteht eine sogenannte Dissoziation: Der Geist begibt sich an einen ruhigen Ort, während der Körper im Operationssaal bleibt.

Nach belgischem Vorbild

Dr. med. Olivia Stiennon, Anästhesistin am HFR, hat diese Technik in Belgien erlernt. Das Land gilt dank Prof. Dr. med. Marie-Elisabeth Faymonville, einer Pionierin der Hypnose in der Anästhesie seit den 1990er-Jahren, als Wegbereiter auf diesem Gebiet. Bekannt wurde die Methode unter anderem durch das grosse mediale Echo auf die im Jahr 2009 bei Königin Fabiola von Belgien durchgeführte Schilddrüsenoperation, bei der die Monarchin unter Hypnose stand.

Am HFR haben bislang 28 Patientinnen und Patienten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die medizinische Hypnose kam dabei bei den unterschiedlichsten Eingriffen zum Einsatz – etwa bei Operationen zur Entfernung von Brusttumoren, Eingriffen an der Halsschlagader, der Einlage von Portkathetern, Koloskopien, Fuss- und Kniechirurgie oder Fibroskopien, jeweils ohne Narkose. Dr. med. Benedetta Guani, Verantwortliche für Onkogynäkologie und Senologie in der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe am HFR, war die Erste, die am HFR eine Operation an einer Patientin unter medizinischer Hypnose durchführte. Ein fünfköpfiges Anästhesieteam aus Ärztinnen und Ärzten und Pflegefachpersonen ist während der Eingriffe für die Hypnose verantwortlich. Die Rückmeldungen der Patientinnen und Patienten sind durchs Band positiv: Auf einer Skala von 1 bis 10 lag die Gesamtzufriedenheit zwischen 7 und 10. Das Wohlbefinden während des Eingriffs wurde im Durchschnitt mit 7 bewertet.

Die Patientinnen und Patienten berichteten nach ihrem Eingriff über weniger Schmerzen, eine schnellere Genesung und ausbleibende Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Erbrechen im Vergleich zu Patientinnen und Patienten mit einer Vollnarkose. Zudem schätzten sie es, dass sie aktiv in ihre Behandlung einbezogen wurden.

Das HFR plant, diese alternative Behandlungsform schon bald bei allen Brustoperationen anzubieten.

Ablauf eines Eingriffs unter Hypnose

Kommt eine Patientin oder ein Patient für einen Eingriff unter Hypnose in Frage, findet zunächst ein telefonisches Vorgespräch mit Olivia Stiennon statt. Am Tag des Eingriffs führt die Hypnosetherapeutin oder der Hypnosetherapeut ein 20-minütiges Gespräch mit der Patientin oder dem Patienten, bevor es in den Operationstrakt geht. Dieser Schritt ist zentral, um sich kennenzulernen, eine therapeutische Beziehung aufzubauen und die bestmögliche Begleitung sicherzustellen. Beim Austausch werden schöne Erinnerungen und Orte thematisiert, an denen sich die Person wohlfühlt. Auch sensorische Besonderheiten können hier erwähnt werden. Anschliessend wird ein Beruhigungsmittel verabreicht. Im Operationstrakt erfolgen wie bei einer Vollnarkose das Legen des venösen Zugangs, die Vorbereitung der Patientin oder des Patienten sowie das Anschliessen an die Überwachungsmonitore. Die medizinische Hypnose beginnt fünf bis zehn Minuten vor dem chirurgischen Einschnitt.

Je nach Eingriff führt die Anästhesistin oder der Anästhesist vor dem Einschnitt eine Regionalanästhesie durch oder die Chirurgin oder der Chirurg injiziert zur Verbesserung des Wohlbefindens ein Lokalanästhetikum direkt in den zu operierenden Bereich. Zusätzlich wird eine Schmerzmittelinfusion verabreicht. In wenigen Fällen (< 5 %) wird eine Vollnarkose eingeleitet, falls die Patientin oder der Patient während des Eingriffs die Meinung ändert oder sich unwohl fühlt.

Das Licht im Operationssaal wird gedämpft, die Alarmsignale werden auf stumm geschaltet und es herrscht eine ruhige Atmosphäre. Nach Abschluss des Eingriffs folgt ein kurzer Aufenthalt im Aufwachraum. Die Hypnosetherapeutin oder der Hypnosetherapeut stellt sicher, dass die operierte Person den hypnotischen Bewusstseinszustand verlassen hat und die Dissoziation abgeschlossen ist.

Wandel in der Patientenkommunikation

Für Pflegende mit einer Hypnoseausbildung verändert sich der Arbeitsalltag deutlich, und zwar weit über die eigentlichen Hypnosesitzungen im Operationstrakt hinaus. Der Ansatz fördert allgemein eine positivere und ruhigere Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten, die am HFR übrigens grundsätzlich gepflegt und gelehrt wird. Negative oder angstauslösende Formulierungen werden durch wertschätzende Alternativen ersetzt. Beispielsweise wird aus «Haben Sie Schmerzen?» die Frage «Fühlen Sie sich wohl?» und aus «Ist Ihnen kalt» wird «Ist Ihnen warm genug?». Auch Warnungen wie «Vorsicht, gleichen spüren Sie einen Pieks!» werden durch neutralere, beruhigende Formulierungen ersetzt. Gesundheitsfachpersonen aller Bereiche – auch ausserhalb des Spitals – können durch eine Schulung in therapeutischer Kommunikation nur dazugewinnen.

Tauchen Sie ein ins Videoporträt einer Patientin, die sich unter Hypnose einer Brustoperation unterzogen hat: