«Zertifizierungen stehen für Attraktivität und Qualität»

Am freiburger spital (HFR) wird nicht nur behandelt, sondern auch ausgebildet. Wir blicken hinter die Kulissen dieser zwar weniger sichtbaren, aber umso wichtigeren Aufgabe. Professor Daniel Hayoz erklärt, worauf es bei der Ausbildung von jungen Ärztinnen und Ärzten im Spital ankommt.
Tagtäglich werden in den Sprechstunden und Operationssälen des HFR hervorragende medizinische Leistungen erbracht. Weniger sichtbar, aber nicht weniger wichtig, ist eine andere Aufgabe des universitären Lehr- und Forschungsspitals: die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses. Um den begehrten Facharzttitel zu erwerben, müssen angehende Fachärztinnen und -ärzte nach Abschluss des Medizinstudiums eine Assistenzzeit an einer vom Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) zertifizierten Ausbildungsstätte absolvieren.
Das HFR bietet dazu Hand, denn fast alle seiner medizinischen Fachgebiete sind vom SIWF als Ausbildungsstätte zertifiziert. Damit leistet das HFR einen unentbehrlichen Beitrag für den Nachwuchs. Prof. Dr. med. Daniel Hayoz, Leiter Forschung und Nachfolge am HFR Freiburg – Kantonsspital erläutert diese Aufgabe.
Was bedeuten die Zertifizierungen als Ausbildungsstätte für das HFR?
Zertifizierungen stehen für Attraktivität und Qualität. Ein Spital, das viele Zertifizierungen anbietet, zieht die besten Assistenzärztinnen und -ärzte an. Im Idealfall bleiben einige davon am HFR oder kommen nach Arbeitserfahrungen in anderen Spitälern und Kantonen wieder zurück.
Was muss eine Spitalabteilung leisten, damit sie angehende Ärztinnen und Ärzte in einer hohen Kategorie ausbilden darf?
Zwei Faktoren sind besonders wichtig: Das SIWF verlangt qualifizierte Ausbildungspersonen und gibt den Rahmen für den Einsatz von Assistenzärztinnen oder Assistenzärzten vor. Unsere Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg ist ein wichtiger Faktor, um Spitzenleute als Chefärztinnen und –ärzte anzuziehen, die auch am Master Medizin lehren. Zweitens brauchte es eine Mindestzahl an stationären und ambulanten Patientinnen und Patienten, welche die Auszubildenden während ihrer Ausbildung behandeln müssen.

Wie genau werden diese Assistenzärztinnen und -ärzte ausgebildet?
Sie arbeiten praktisch am Patientenbett – selbstverständlich unter Anleitung eines erfahrenen Arztes oder einer erfahrenen Ärztin. Je nach SIWF-Kategorie muss die auszubildende Institution drei bis vier Stunden pro Woche für strukturierte Weiterbildung zur Verfügung stellen. Diese Zeit wird von der wöchentlichen klinischen Tätigkeit abgezogen, die theoretisch 42 Stunden beträgt.
Wie kommt eine Patientin oder ein Patient mit Assistenzärztinnen und -ärzten in Berührung?
Patientinnen und Patienten werden in der Regel von einer Assistenzärztin oder einem Assistenzarzt erstversorgt. Diese besprechen danach ihre Beobachtungen und Behandlungsvorschläge mit der zuständigen Kaderärztin oder dem zuständigen Kaderarzt. Die Behandlung wird nur mit deren Einwilligung fortgesetzt. Für jede Patientin und jeden Patienten wird sehr viel Zeit investiert, auch wenn sie sich dessen meist nicht bewusst sind, denn diese Arbeit ist weniger sichtbar.
Zertifizierungen durch das SIWF
Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) stellt als autonomes Organ der FMH die Weiter- und Fortbildung der Ärztinnen und Ärzte sicher. Es vergibt verschiedene Ausbildungskategorien. Begehrt sind die höheren Kategorien A und B, weil an diesen Ausbildungsstätten ein grosser Teil oder die ganze Ausbildung absolviert werden kann. Am HFR sind zahlreiche Fachrichtungen mit A oder B zertifiziert.
Wie kommt es, dass es zwar einen Ärztemangel gibt, Studierende aber Mühe haben, Ausbildungsplätze zu finden?
Aufgrund der Anzahl Patientinnen und Patienten ist es für grosse Institutionen wie das HFR einfacher, die Anforderungen des SIWF erfüllen. In kleineren Institutionen hingegen werden die Anzahl Patientinnen und Patienten sowie die Anzahl Behandlungen und Eingriffe nicht erreicht oder es fehlen die benötigten Ausbildungspersonen. Die Zahl der Ausbildungsplätze in gewissen Fachgebieten steht somit in keinem Verhältnis zur eigentlichen Nachfrage.
Das HFR muss sparen. Nutzt das HFR die Assistenzärztinnen und –ärzte aus, die ja tiefere Löhne erhalten?
Nein. Der Lohn spielt für Assistenzärztinnen und -ärzte zwar eine Rolle, doch die Qualität der Ausbildung und das Arbeitsklima sind wichtiger. Angehende Ärztinnen und -ärzte tauschen sich untereinander aus und wissen um den Ruf einer Ausbildungsstätte. Zudem gibt es eine von ETH Zürich durchgeführte Bewertung der Ausbildungsstätten, die öffentlich zugänglich ist und den Bewerbenden wichtige Hinweise geben kann.
Wir stellen Assistenzärztinnen und -ärzte ein, um den Nachwuchs sicherzustellen, nicht, weil sie billige Arbeitskräfte sind. Wenn wir schon voll ausgebildetes Personal einstellen würden, könnte dieses ziemlich sicher mehr leisten. Aber das hätte weitreichende Konsequenzen: Wer würde dann die zukünftige Generation von Ärztinnen und Ärzten ausbilden?
Ist die Versorgung von morgen durch die aktuellen Entwicklungen gefährdet?
Der Mangel an Ausbildungsplätzen wird leider zu einem Notstand führen. Wir wissen bereits, welche medizinischen Fachrichtungen von den demografischen Engpässen betroffen sein werden. Doch es ist uns nicht möglich, das in Zukunft benötige Personal aufzustocken. Es muss deshalb nach Alternativen gesucht werden, indem die Ausbildungsprofile anderer Gesundheitsberufe angepasst werden, um den Mangel an Ärztinnen und Ärzten auszugleichen. Es muss sichergestellt werden, dass trotz dem schwierigen finanziellen Umfeld weiterhin genügend junge Menschen ausgebildet werden.
Welche weiteren Lösungsansätze gibt es, für eine zukunftsfähige Ausbildung?
Die aktuelle medizinische Ausbildung ist lang und manchmal wenig flexibel. Wir können uns fragen, ob das noch zeitgemäss ist. Fachrichtungen wie die Geriatrie müssen aufgewertet und auch in Bezug auf die Forschung gefördert werden. Nur so werden wir auch in Zukunft in der Lage sein, die Leistungen anzubieten, welche die Menschen im Kanton Freiburg benötigen.
Was sagen sie zukünftigen Ärztinnen und Ärzten, die verunsichert sind?
Euer Beruf hat Zukunft. Es gibt keine erfüllendere Arbeit, als sich der wirksamen Linderung der Leiden der Patientinnen und Patienten zu widmen.