Vom schönen Gefühl, seine Aufgabe erfüllt zu haben

Kategorie : Fachgebiete
Authored by Priska Rauber
Montag 30 Juni 2025
portrait

Was gibt es Schöneres, als auf eine erfüllte Karriere zurückzublicken? Genau so geht es Jean-Calvin Kansietoko, der seit 28 Jahren als MTR in der Radio-Onkologie am freiburger spital (HFR) arbeitet. Ende Juli wird er pensioniert.

«Es ist eine aufgeschobene Pensionierung», präzisiert er. Denn eigentlich hätte Jean-Calvin Kansietoko bereits im Juli 2024 seinen Ruhestand antreten sollen. Doch er entschied sich, seine Pensionierung um ein Jahr aufzuschieben. Und das ganz ohne Gefühl, sich aufzuopfern, ganz im Gegenteil: «All das habe ich gerne gemacht», betont er und zitiert Tolstoi: «Das Glück besteht nicht darin, dass du tun kannst, was du willst, sondern darin, dass du immer willst, was du tust.»

Jean-Calvin Kansietoko stammt aus der Demokratischen Republik Kongo und kommt 1983 als Asylsuchender in die Schweiz, genauer nach Sciernes-d’Albeuve. Er hat soeben seinen Bachelor in Naturwissenschaften (Mathematik und Physik) abgeschlossen, doch Mobutus diktatorisches Regime und die Teilnahme an den Studentenunruhen verunmöglichen ihm eine Zukunft im eigenen Land.

Und so heisst es für ihn, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Zielstrebig und beharrlich. Bis 1989 sein Asylantrag gutgeheissen wird, geht er verschiedenen beruflichen Beschäftigungen nach und sammelt dabei wertvolle Erfahrungen. Gleichzeitig behält er sein Ziel vor Augen: die Finanzierung seiner Ausbildung an der damaligen École de radiologie médicale in Lausanne, die er 1993 in Angriff nimmt.

Anschliessend arbeitet er fast drei Jahrzehnte lang am HFR, wo er unter anderem auch als Praxisausbildner sein Wissen an die künftigen Generationen von Gesundheitsfachkräften weitergibt.

 Die Verbindung zum Gegenüber
«Natürlich mag ich die technische Seite meines Berufs, da geht es um Know-how, um erworbene Fähigkeiten. Doch was wirklich zählt, sind die sozialen Kompetenzen. Die Verbindung zum Gegenüber, das Zuhören, die Aufmerksamkeit, das Einfühlungsvermögen. Erst damit verleihe ich meinem Handeln einen Sinn. Gelingt es, einen besorgten Patienten zu beruhigen, ihm ein Lächeln zu entlocken, ihn gar zum Lachen zu bringen, obwohl er gerade eine schwierige Zeit durchmacht, dann wird der Beruf zu etwas ganz Besonderem.»

Jean-Calvin Kansietoko ist durch und durch Humanist, der Mensch steht bei ihm seit jeher im Fokus seiner Arbeit. Es war ihm immer ein Anliegen, den eigentlichen Menschen wahrzunehmen. «Es ist so einfach, und hat doch oft so eine grosse Wirkung.»

Marie-Dominique Moura, eine seiner Patientinnen, die er vor über zehn Jahren während ihrer Brustkrebsbehandlung begleitet hat, drückt es so aus: «Ich erinnere mich noch sehr gut an ihn. Dank ihm war alles leichter. Er war immer gut gelaunt, hatte immer ein liebes Wort auf den Lippen.» Und das in breiter Greyerzer Mundart, die er von seinen Patientinnen und Patienten gelernt hat.

Doch nun ist es an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Es sei genau der richtige Zeitpunkt, ist er überzeugt. Er, der sich so gerne Zeit für seine Patientinnen und Patienten nahm, musste mit ansehen, wie der Faktor Zeit im Laufe der Jahre zu einem immer rareren Gut wurde. Das sei zurückzuführen «auf die Budgetvereinbarungen, die die Gesundheitseinrichtungen an die Versicherungen und die Behörden binden», bedauert er. «Heutzutage sind die Menschen gestresst, hetzen herum und sind mit ihren Gedanken woanders. Oft begegnen wir uns in den Gängen, ohne uns wirklich zu sehen ...»

Falls Sie Jean-Calvin Kansietoko noch einmal begegnen, nehmen Sie sich doch einen Moment Zeit und wünschen Sie ihm alles Gute für den bevorstehenden Ruhestand! Er wird es Ihnen danken und Ihnen versichern, dass er sich nicht vor der Langeweile fürchtet, denn eins ist sicher: «Ich werde weiterhin von Menschen umgeben sein!»