Einblick in die Nuklearmedizin

Alltag einer MTRA, beruhigende Gesten und Spitzentechnologie für eine fundierte Diagnose.
In der für viele unbekannten Welt der Nuklearmedizin treffen modernste Technologie und menschliche Qualitäten aufeinander. Im Zentrum dieses Ökosystems sorgen Radiologiefachpersonen wie Vanessa Marcos dafür, dass alles reibungslos abläuft.
7 Uhr, Arbeitsbeginn in der Abteilung Nuklearmedizin:
Vanessa Marcos, dipl. Radiologiefachfrau (MTRA), öffnet die Tür zur Abteilung. Ihr Arbeitstag beginnt mit einer schnellen Tasse Kaffee mit den Kolleginnen und Kollegen, danach läuft alles nach einem am Vortag genau festgelegten Zeitplan ab. «Hier wird alles auf die Sekunde genau kalibriert, aber immer in Absprache mit dem Team», erklärt sie, während sie ihren weissen Kittel richtet.
In einem ersten Schritt werden die Maschinen eingeschaltet und die Qualitätskontrollen überprüft, die während der Nacht durchgeführt wurden. Der PET-CT, ein Hybridgerät, das den Positronen-Emissions-Tomografen (PET) und den Computertomografen (CT) kombiniert, steht in einem makellos reinen Raum. «Alles muss perfekt sein, um qualitativ hochwertige Bilder und eine genau Diagnose zu gewährleisten.» Der CT erstellt Bilder von den Strukturen des Körpers. Der PET stellt mit Hilfe eines leicht radioaktiven Tracers (ein modifizierter Zucker), der zuvor der Patientin oder dem Patienten unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen gespritzt wurde, Krebszellen oder Entzündungsbereiche dar. Die Kombination dieser Bilder ermöglichen es den Ärztinnen und Ärzten, mögliche Anomalien sehr genau zu lokalisieren und die Behandlung entsprechend anzupassen.
7.15 Uhr, der erste Patient trifft ein:
Jean*, 52 Jahre, leidet an Lungenkrebs und kommt zu einer Nachuntersuchung. Vanessa Marcos begrüsst ihn mit einem aufmunternden Lächeln. Es ist wichtig, dass sie die richtigen Fragen stellt, um eine genaue Anamnese durchzuführen, ohne dabei den Patienten zu beunruhigen. Dabei zählt jedes Detail. «Wenn die Diagnose noch nicht gestellt ist, vermeiden wir Begriffe wie ‹Krebs› oder ‹Tumor›. Es braucht Einfühlungsvermögen und ein gutes Gespür.» Dann erklärt sie Jean den Ablauf der Untersuchung.
Ihm wird Fludeoxyglucose (FDG), ein radioaktiver Zucker, gespritzt, der jeden Morgen von Bern angeliefert wird. Danach muss er 45 Minuten in einem abgedunkelten, ruhigen Zimmer ruhen. Damit wird sichergestellt, dass der Körper nicht zu viel Zucker an anderer Stelle als in den erkrankten Zellen aufnimmt. Jede Bewegung oder Stimulation könnte die Ergebnisse verfälschen. «Wir sorgen für den Komfort der Patientinnen und Patienten: Decken, gedämpftes Licht und ausführliche Erklärungen, um sie zu beruhigen. Das alles trägt zum Erfolg der Untersuchung bei», betont Vanessa Marcos.
In der Nuklearmedizin wird jeder Schritt von strengen Sicherheitsmassnahmen begleitet. «Nach der Injektion sind die Patientinnen und Patienten radioaktiv. Wir müssen deshalb besonders auf den Strahlenschutz achten, sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für uns selbst.»
8.30 Uhr, die Diagnose beginnt:
Jean ist im PET-CT eingerichtet. «Dieser Moment flösst vielen Patientinnen und Patienten Angst ein. Wir erklären ihnen jeden Schritt, damit sie ruhig bleiben.» Das Gerät beginnt mit einer klassischen Tomografie. Vanessa Marcos ist an das laute Geräusch gewohnt, für die Patientinnen und Patienten ist es jedoch oft beängstigend. Danach kommt der PET zum Zuge: Geräuschlos erfasst er die radioaktive Strahlung und erstellt Farbbilder, auf denen allfällige Anomalien sichtbar sind. Nach 15 Minuten liegen die Daten vor.
Die Radiologiefachperson an der Steuerkonsole übermittelt die Bilder an die Ärztin oder den Arzt. Damit ist ihre Arbeit jedoch noch nicht getan. Die Untersuchung muss rekonstruiert werden, die Daten werden überprüft und die Einstellungen gegebenenfalls optimiert. «Wir sind das Bindeglied zwischen Technologie und Mensch und kombinieren technische Präzision mit menschlicher Zuwendung.»
Nach Abschluss der Untersuchung kann Jean nach Hause gehen. Die verbleibende Radioaktivität in seinem Körper ist so gering, dass er keine Gefahr für seine Umgebung darstellt.
10 Uhr, Teamgeist in Aktion:
In der Abteilung beruht alles auf Zusammenarbeit. Ein Teammitglied kümmert sich um den Empfang der Patientinnen und Patienten und injiziert den radioaktiven Zucker unter Beachtung aller Vorsichtsmassnahmen. Eine zweite Person führt die Untersuchung durch und sorgt für den reibungslosen Betrieb der Geräte, während eine dritte MTRA die Konsole bedient und die Bilder verarbeitet. «Es ist wie eine Choreografie. Wir arbeiten in einem wöchentlichen Turnus, um uns bei den Aufgaben abzuwechseln und vielseitig einsetzbar zu bleiben.» Diese fliessende Organisation ermöglicht es, dass die Untersuchungen im 25-Minuten-Takt stattfinden können, ohne dass es zu einer Überlastung in der Abteilung kommt.
12.30 Uhr, Verschnaufpause:
Das Team sitzt gemeinsam am Tisch und tauscht sich über Begebenheiten und Neuigkeiten in der Abteilung aus. Vanessa Marcos erzählt eine lustige Anekdote: «Ein Patient dachte, er müsse nach der Untersuchung seinen Urin sammeln. Es ist rührend zu sehen, dass die Leute alles richtig machen wollen.» Diese Leichtigkeit, selbst wenn sie nur vorübergehend ist, hilft dabei, einen Ausgleich zum oft emotional belastenden Arbeitsalltag zu schaffen.
16 Uhr, Blick in die Zukunft:
Vanessa Marcos beendet ihren Tag bei einer Schulung über bevorstehende Innovationen. 2025 wird ihre Abteilung die lokale Produktion bestimmter Radiopharmazeutika übernehmen, um gegenüber externen Lieferanten unabhängiger zu werden. Ausserdem können somit gezielte nuklearmedizinische Behandlungen angeboten werden. «Wir entwickeln uns ständig weiter. Das macht diesen Beruf so faszinierend.»
17 Uhr, Feierabend mit einem guten Gefühl:
Wenn Vanessa Marcos nach Hause geht, weiss sie, dass ihre Arbeit konkret etwas bewirkt hat. «Wir sind ein wenig sichtbares, aber wichtiges Glied im Behandlungsverlauf. Jedes Bild, dass wir anfertigen, und jede unserer Gesten trägt zur Diagnose bei.»
* Vorname geändert.